Warum der Koalitionsstreit über Gleichstellung mehr als ein Homo-Thema ist

Der Streit über die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften hat für den ersten großen Aufreger der Koalitionsverhandlungen gesorgt. Das geht auch Heteros an: Was ist von einer Partei zu halten, die verfassungskonformes Verhalten als Fortschritt verkaufen will?

Meine Verpartnerung 2009Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Die Kommentare bei WELT ONLINE sind wie ein schlimmer Unfall, bei dem man einfach nicht wegsehen kann. Die Zeitung hatte exklusiv darüber berichtet, wie die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig in der Sitzung der Arbeitsgruppe die gesamte Koalition in Frage gestellt hat. Was meint die Leserschaft der WELT dazu?

Homo-Ehe ist doch ein typisches rotgrünes Minderheitenthema, das die Existenz der 95% nicht schwulen Bürger nicht betrifft, im Gegensatz zu Eurorettung, Energiewende etc.

Wie ernst ist die — S P D —- eigentlich noch zu nehmen? Eine Partei, die die Aufstellung einer neuen Regierung an die HOMO-Ehe fest macht, hat nicht nicht begriffen, was Demokratie heißt. Hat Deutschland denn keine dringenderen Probleme, die gelöst werden müssen?

Die Homoehe ist auf der Prioritätenliste gaaanz weit hinten, aber für Frau Schwesig ein Grund die große Koalition platzen zu lassen?!?!? Hier kann man deutlich sehen, wie realitätsfern die Sozis offensichtlich sind, ich bin für Neuwahlen!

Das ist zu kurz gegriffen – jeder, der sich dafür interessiert, wie wir regiert werden, sollte im Gegenteil hier ganz genau hinschauen. Politik ist kein Ökonomiebetrieb, in dem es nur um messbare Ergebnisse geht. Es geht um Werte, Ideale und eine Vorstellung von der Gesellschaft der Zukunft. Und dieser Streit über die Gleichstellung verrät Einiges über die Union – so schreibt die WELT:

Die Union war zwar bereit, die sogenannte Sukzessiv-Adoption zu ermöglichen – das Recht, das leibliche Kind eines homosexuellen Lebenspartners anzunehmen – und einen Anti-Diskriminierungs-Paragrafen in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, lehnte aber eine generelle Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare und ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ab.

Die Union ist bereit, die sogenannte Sukzessiv-Adoption zu ermöglichen? Das Bundesverfassungsgericht hat die Regierung schon dazu verurteilt! Mit anderen Worten: Die Union hat sich hier mühsam zu einer Ankündigung durchgerungen, sich in Zukunft verfassungskonform zu verhalten. Und sie besitzt auch noch die Dreistigkeit, das als Fortschritt oder Entgegenkommen zu verkaufen. Allein das ist schon eine Frechheit – ganz egal, ob es nun die Öffnung der Ehe oder irgendetwas anderes geht. Ich bin mir sicher, dass jeder schon mal eine  ähnliche Situation im Beruf oder im Privaten erlebt hat: Wenn der potenzielle Partner allzu merkwürdige Ansichten hat, wird eine Zusammenarbeit unabhängig von der Sache einfach schnell unangenehm. Und genau darum ist es nicht „realitätsfern“ oder das Thema zu unwichtig, um eine Koalition davon abhängig zu machen. Natürlich ist Regierungsverantwortung eine große Verlockung. Aber man muss der SPD auch zugestehen, dass sie darüber nachdenkt: Will sie sich wirklich mit Leuten einer solchen Gesinnung an einen Tisch setzen? Die Relevanz dieser Frage sollte auch als Heterosexueller einzusehen sein.

Verschiedene Blogs wie mein großer Liebling, das Nollendorfblog von Johannes Kram, haben im Internet eine Initiative gestartet, um weiter Druck zu machen. In dem Aufruf heißt es:

Gleiche Rechte für Lesben und Schwule sind nicht nur die Angelegenheit einer Minderheit. Was Präsident Obama in seiner Rede in Berlin gesagt hat, gilt auch für Deutschland: „Indem wir uns für Lesben und Schwule einsetzen und ihre Liebe und ihre Rechte im Gesetz gleich stellen, verteidigen wir unser aller Freiheit.“ Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwarten nicht nur Lesben und Schwule von ihrer nächsten Regierung!