Regenbogenflaggen? Ruft die Polizei!

Die eigentliche Nachricht der Posse um die Regenbogenflaggen in Berlin: Sie verrät, wieviel Aufwand und Energie die Union in Homophobie steckt und dass die SPD jeden Widerstand aufgegeben hat.

Erstmals hissen Berliner Bundesministerien zur CSD-Saison die Regenbogenflagge – und müssen sie auf Druck des Kanzleramts wieder einholen. Zugegeben: Mich persönlich hat es nie großartig gekümmert, ob irgendwo eine Regenbogenflagge gehisst wird. Ich habe das regelmäßig als schönes Zeichen der Solidarität wahrgenommen, aber andere Aktionen sind mir wichtiger. Trotzdem kann ich diesen „Vorfall“ in Berlin nicht einfach zur Kenntnis nehmen, ganz im Gegenteil: Gerade die Vehemenz, mit der das Kanzleramt gegen diese klitzekleine Symbol angeht, macht für mich einen großen Aufreger daraus. Weiterlesen

Warum der Koalitionsstreit über Gleichstellung mehr als ein Homo-Thema ist

Der Streit über die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften hat für den ersten großen Aufreger der Koalitionsverhandlungen gesorgt. Das geht auch Heteros an: Was ist von einer Partei zu halten, die verfassungskonformes Verhalten als Fortschritt verkaufen will?

Meine Verpartnerung 2009Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. Die Kommentare bei WELT ONLINE sind wie ein schlimmer Unfall, bei dem man einfach nicht wegsehen kann. Die Zeitung hatte exklusiv darüber berichtet, wie die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig in der Sitzung der Arbeitsgruppe die gesamte Koalition in Frage gestellt hat. Was meint die Leserschaft der WELT dazu?

Homo-Ehe ist doch ein typisches rotgrünes Minderheitenthema, das die Existenz der 95% nicht schwulen Bürger nicht betrifft, im Gegensatz zu Eurorettung, Energiewende etc.

Wie ernst ist die — S P D —- eigentlich noch zu nehmen? Eine Partei, die die Aufstellung einer neuen Regierung an die HOMO-Ehe fest macht, hat nicht nicht begriffen, was Demokratie heißt. Hat Deutschland denn keine dringenderen Probleme, die gelöst werden müssen?

Die Homoehe ist auf der Prioritätenliste gaaanz weit hinten, aber für Frau Schwesig ein Grund die große Koalition platzen zu lassen?!?!? Hier kann man deutlich sehen, wie realitätsfern die Sozis offensichtlich sind, ich bin für Neuwahlen!

Das ist zu kurz gegriffen – jeder, der sich dafür interessiert, wie wir regiert werden, sollte im Gegenteil hier ganz genau hinschauen. Politik ist kein Ökonomiebetrieb, in dem es nur um messbare Ergebnisse geht. Es geht um Werte, Ideale und eine Vorstellung von der Gesellschaft der Zukunft. Und dieser Streit über die Gleichstellung verrät Einiges über die Union – so schreibt die WELT:

Die Union war zwar bereit, die sogenannte Sukzessiv-Adoption zu ermöglichen – das Recht, das leibliche Kind eines homosexuellen Lebenspartners anzunehmen – und einen Anti-Diskriminierungs-Paragrafen in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, lehnte aber eine generelle Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare und ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ab.

Die Union ist bereit, die sogenannte Sukzessiv-Adoption zu ermöglichen? Das Bundesverfassungsgericht hat die Regierung schon dazu verurteilt! Mit anderen Worten: Die Union hat sich hier mühsam zu einer Ankündigung durchgerungen, sich in Zukunft verfassungskonform zu verhalten. Und sie besitzt auch noch die Dreistigkeit, das als Fortschritt oder Entgegenkommen zu verkaufen. Allein das ist schon eine Frechheit – ganz egal, ob es nun die Öffnung der Ehe oder irgendetwas anderes geht. Ich bin mir sicher, dass jeder schon mal eine  ähnliche Situation im Beruf oder im Privaten erlebt hat: Wenn der potenzielle Partner allzu merkwürdige Ansichten hat, wird eine Zusammenarbeit unabhängig von der Sache einfach schnell unangenehm. Und genau darum ist es nicht „realitätsfern“ oder das Thema zu unwichtig, um eine Koalition davon abhängig zu machen. Natürlich ist Regierungsverantwortung eine große Verlockung. Aber man muss der SPD auch zugestehen, dass sie darüber nachdenkt: Will sie sich wirklich mit Leuten einer solchen Gesinnung an einen Tisch setzen? Die Relevanz dieser Frage sollte auch als Heterosexueller einzusehen sein.

Verschiedene Blogs wie mein großer Liebling, das Nollendorfblog von Johannes Kram, haben im Internet eine Initiative gestartet, um weiter Druck zu machen. In dem Aufruf heißt es:

Gleiche Rechte für Lesben und Schwule sind nicht nur die Angelegenheit einer Minderheit. Was Präsident Obama in seiner Rede in Berlin gesagt hat, gilt auch für Deutschland: „Indem wir uns für Lesben und Schwule einsetzen und ihre Liebe und ihre Rechte im Gesetz gleich stellen, verteidigen wir unser aller Freiheit.“ Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwarten nicht nur Lesben und Schwule von ihrer nächsten Regierung!

Gespielt wie Flasche halb voll oder halb leer?

Der Deutsche Evanglische Kirchentag in Hamburg diskutiert über Homophobie im Fußball: Kontrovers wurde die Debatte, wie die bisher erreichten Fortschritte zu bewerten sind. Ein Mutmach-Beitrag.

Die Zusammensetzung der Runde unter dem Motto „Let’s Talk About Sex – Homophobie im Fußball“ ließ von vornherein nicht erwarten, dass es besonders heiß her gehen würde: Vertreter der „Queer Football Fanclubs“ berichteten von ihrem Engagement in den Fankurven, „Versteckspieler“ Marcus Urban erzählte von seiner Arbeit als Diversity Coach und DFB-Berater, der SPD-Bundestagsabgeordnete und Fachsprecher für Schwule und Lesben, Johannes Das Podium im Regenbogenzentrum beim DEKTKahrs, war als Politikvertreter dabei, und ich war als Journalist und Vorstandsmitglied des schwul-lesbischen Sportvereins Startschuss SLSV Hamburg eingeladen – alles also Leute, die sich im Ziel einig sind und sich schon lange entsprechend engagieren.

Überraschend fiel die Bewertung des Status Quo aus: Als ich meinen Eindruck schilderte, dass Diskriminierung deutlich abgenommen hat und heutzutage viele Startschuss-Sportler ihr Glück auch in „Hetero“-Vereinen finden, stieß ich auf harschen Widerspruch. „Falsch“, entgegnete kopfschüttelnd Marcus Urban, „es gibt in allen Bereichen immer noch massive Probleme.“ Ein Gast aus dem Publikum richtete an meine Adresse die Kritik, dass Journalisten ein viel zu rosiges Bild zeichneten, unter anderem weil viele Betroffene sich mit ihrer Leidensgeschichte gar nicht an die Öffentlichkeit trauten.

Homophobie ist kein Nischen-Thema mehr

Dabei habe ich gar nicht behauptet,  dass Homophobie überwunden ist – ich bin nur der Meinung, dass im historischen Vergleich die Gesellschaft riesige Schritte weitergekommen ist. Der Umgang mit Homophobie ist sensibler geworden: Gerade erst hat Kaiserslauterns Stürmer Idrissou im Interview (hier das Video) einmal mehr das Klischee bedient, Schwule seien automatisch tuntig und könnten per se keine männliche Körpersprache haben – das haben auch Mainstream-Medien aufgegriffen und kritisiert. Früher gingen solche Äußerungen unter. Schwulen und Lesben empörten sich in ihren Community-Foren, auf Nischen-Websites und blieben unter sich. Schon dass es mittlerweile eine Öffentlichkeit dafür gibt, ist ein Fortschritt.

Die „Queer Devils“ als schwul-lesbischer Fanclub konnten dem Spieler inzwischen persönlich erklären, was an seinen Äußerungen so bedenklich ist. Noch vor ein paar Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ein Verein ein solches Treffen zulässt. Und der FCK berichtet auch noch auf seiner Homepage darüber. Bei aller Kritik an manchen Formulierungen lässt sich festhalten: Auch hier beteiligt sich der Proficlub daran, eine Öffentlichkeit herzustellen, die wichtig ist. Er tut es nicht als Pflichtveranstaltung ab nach dem Motto: „Treffen wir uns mal mit den Schwulen, um die ruhig zu stellen, aber reden wir nicht darüber.“ Auch das ist ein Wandel!

Während Profi-Fußballer früher „irgendwas mit Schwul“ gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser, leben wir in einer Zeit, in der Philipp Lahm munter Interviews für Gay-Magazine gibt und Mario Gomez übers Coming Out philosophiert. Nicht über jeden Debattenbeitrag kann man glücklich sein, aber die Berührungsängste im Spitzensport schwinden – das ist ein Fortschritt.

Es gibt Strukturen und Unterstützer

Alex v. Beyme mit Johannes KahrsWir haben Strukturen aufgebaut wie die schwul-lesbischen Fanclubs und Sportvereine, die den Finger in die Wunde legen, und starke Unterstützer wie die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Auch die Verbände bewegen sich allmählich. Einige meiner Mitspieler bei den schwulen Fußballern von Startschuss spielen geoutet in „hetero-geprägten“ Vereinen mit, nach meinem Eindruck waren es noch nie so viele. Nur einer von ihnen erzählte mir von heftigem Mobbing, die Mitspieler wollten ihn nicht mehr mit ihm duschen – kurzerhand wechselte er den Verein und wurde im neuen Club anerkannter Spielertrainer. Jeder Fall von Diskriminierung ist zu viel, aber bei allen Rückschlägen können wir doch froh sein: Es gibt sie mittlerweile, die positiven Beispiele, die wir vor Jahren so vermisst haben.

Es geht natürlich nicht schnell genug. Wir liegen mit dem Kampf gegen Homophobie im Fußball immer noch zurück, aber haben bisher gut gespielt – das sollte uns Selbstvertrauen geben. Schluss ist erst, wenn der Schiri pfeift.

Promi-Klatsch: Ole von Beust und seine Jugendliebe

Was für kleine Perlen sich doch in den Indie-Produktionen verbergen! Über eine Facebook-Gruppe bin ich auf einen empfehlenswerten Kurzfilm über Homophobie gestoßen – die Dokumentation zeigt Schicksale und geht Ursachen auf den Grund. Dieser Film hat bisher keine große Aufmerksamkeit bekommen, dabei spricht Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Ole von Beust erstaunlich offen über seine erste Liebe. Jetzt kann ich in meinem Blog endlich auch die Sehnsucht nach Klatsch & Promi-Tratsch erfüllen!

„Meine erste Liebe, da war ich extrem jung, da war ich zwölf. Das war sehr pubertär, mit einem Mitschüler. Aber anvertraut habe ich mich damals niemandem, weder meinen Eltern, noch jemand anderem. Das musste ich mir erstmal selber klar machen. Das Thema war zwar kein Thema, mit dem man gemobbt würde, aber es war tabuisiert – man sprach da nicht drüber. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das in der Schule mal thematisiert worden wäre, im Rahmen vom Deutsch, Gemeinschaftskunde und Biologie oder was auch immer – dass überhaupt mal öffentlicher drüber gesprochen würde, wo ich doch die Sache erstmal selber mit mir ausmachen musste. Eine Offenheit zum Gespräch hat es nicht gegeben. Beratungsangebote wie in Hamburg das MHC sind alle viel später entstanden. Das hat es damals noch nicht gegeben. Es wäre sicherlich manches einfacher gewesen.“

Wir erinnern uns: Ole von Beust, der Bürgermeister, der jahrelang – sagen wir mal so – sehr defensiv mit seiner Orientierung umgegangen ist. Bundesweite Schlagzeilen wurden daraus, als sein Innensenator Schill ihm ein Liebesverhältnis mit dem Justizsenator Kusch andichten wollte und dafür prompt vor die Tür gesetzt wurde. Dass von Beust tatsächlich schwul ist, erklärte kurze Zeit später sein Vater in einem Zeitungsinterview. Meine Güte, während ich diese Zeilen schreibe, kommt es mir vor, wie aus einer anderen Zeit! Dabei ist das gerade mal zehn Jahre her. In der Doku spricht von Beust auch darüber, welche Entwicklung die Gesellschaft seiner Meinung nach bisher genommen hat:

Akzeptanz hieße, dass es selbstverständlich genommen wird und gar kein Thema mehr ist. […] Ich weiß, dass es schon thematisiert wird, wenn es um Spitzenämter in Politik und Wirtschaft geht. Da fragt man sich hinter vorgehaltener Hand: Kann man das eigentlich machen, kann man das nicht machen? Das führt zu ganz eigenen Bewertungskriterien. Totale Akzeptanz hieße, es interessiert wirklich keinen. Davon sind wir noch weit entfernt, aber spürbare Diskriminierung ist deutlich besser geworden

Hier der Film als Ganzes ist hier zu sehen, die Passsage mit Ole von Beust folgt bei 9’20“:

Ausblick: Merkel wird Verurteilung durch BVG begrüßen

Die Euphorie über einen Kurswechsel der Union in der Frage der Gleichstellung von Homosexuellen ist verfrüht. Zwischen den Zeilen wird klar, dass die Union ihre Hinhalte-Taktik fortsetzt. 

saegen_kleinIch war auch in freudiger Erwartung, wenn man das so nennen darf, als ich letzten Samstag den Link mit dem Titel „Union gibt Widerstand gegen Homo-Ehe auf“ geklickt habe. Aber schon noch wenigen Minuten habe ich das Fenster enttäuscht geschlossen. Umso mehr überrascht es mich, dass diese Exklusiv-Meldung der Süddeutschen Zeitung in den vergangenen Tagen von so vielen Medien aufgegriffen und im wahrsten Sinne des Wortes weitergesponnen wurde.

Die Süddeutsche hat sich ihren Scoop selbst gebaut und ein streng genommen belangloses Interview unter eine plakative Überschrift gestellt. Fürs Wochenende wollte die Zeitung offenbar unbedingt Reaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der sogenannten Sukzessiv-Adoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Das kam dabei heraus:

Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte der Süddeutschen Zeitung, die Union müsse „in Sachen Gleichstellung beweglicher werden“. Angesichts „der klaren Tendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sollten wir jetzt möglichst rasch handeln und die erforderliche verfassungsrechtliche Gleichstellung auch durchführen“, sagte Grosse-Brömer. „Wie wir das genau machen, prüfen wir jetzt innerhalb der Fraktion und dann in der Koalition.“

Tja, wo ist jetzt der Kurswechsel? Wer unbedingt will, der kann diesen Kurswechsel dort reininterpretieren und hat dann seine Rechtfertigung für eine knallige Schlagzeile. Aber wir sind doch  keine Noobs im Politiker-Sprech. Wenn jemand ankündigt, zu prüfen und beweglicher zu werden, da hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Ich habe auch nicht dieses kleine einschränkende Adjektiv überlesen: Wer entscheidet denn, welche verfassungsrechtliche Gleichstellung erforderlich ist? Meine Interpretation ist deshalb genau das Gegenteil dessen, was die Süddeutsche daraus gemacht hat: Die Union steht weiterhin für Gleichstellung in exakt dem  Maße, wie die Regierung vom Bundesverfassungsgericht dazu verdonnert wird.

Egal, die Deutung der Süddeutschen Zeitung ist nun in der Welt, jetzt wollen auch die anderen Medien ihre Schlagzeile und laufen wie die Lemminge hinterher. Alle möglichen verknappten Äußerungen von Unions-Politikern werden ohne kritisches Hinterfragen unter der Überschrift „Kurswechsel“ oder „neue Offenheit“ einsortiert. Finanzminister Schäuble will noch ein wenig Konsequenzen aus dem Urteil prüfen. Die stellvertretende Bundes-Vorsitzende Julia Klöckner hat beim mittlerweile fünften Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Gleichstellung immerhin eine Tendenz erkannt und kommt zur Feststellung, dass sich ja etwas ändern müsse. Aber der Meinung war sie auch schon früher. Wo ist der Kurswechsel? In der Union gilt auch weiterhin das Motto: Gebremst wird immer.

Das Good-Cop-Bad-Cop-Spiel in der Union

Als Krimi-Zuschauer kennt man ja diese Verhör-Technik nach dem Muster „Good-Cop-Bad-Cop“: Der eine Ermittler macht auf Einschüchterung, der andere zeigt sich verständnisvoll und einfühlsam. So oder so wird man den Verdächtigen schon zur Aussage bringen. So ähnlich verhält es sich mit der Union: Die Hardliner können noch schön mauern, und die vermeintlich Progressiven platzieren hier und da mal ein paar unverbindliche homo-freundliche Statements. Auf die ein oder andere Art wird man den Wähler schon zur gewünschten Entscheidung bringen. Dabei ist die vermutlich ehrlichste und realistischste Äußerung innerhalb der Union leider am Rande des Bundesparteitags im Dezember etwas untergegangen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte damals dem Fernsehsender PHOENIX in Bezug auf eine Gleichstellung im Steuerrecht: „Wenn wir vor dem Bundesverfassungsgericht verlieren, was ich vermute, dann werden wir das ordnungsgemäß umsetzen. Aber erst dann.“

Noch in diesem Jahr wollen die Karlsruher Richter über die steuerliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaften entscheiden. Wir wissen alle, wie es ausgeht. Und was Bundeskanzlerin Merkel sagen wird, weiß ich auch schon:

Dieses ist ein sehr wichtiges Urteil, das ich sehr begrüße. Es gibt der Bundesregierung Rechtssicherheit, wie wir die Gleichstellung in verfassungsrechtlich gebotener Weise vorantreiben können. Die Bundesregierung nimmt diese Vorgaben dankbar an und wird dieses Urteil zügig zum Wohle der Betroffenen umsetzen.

(Zitat erfunden)

Diskussion über Homo-Ehe: Jetzt wird es persönlich

Seit knapp drei Jahren bin ich mit meinem Mann verpartnert. Die kleinen und großen Ungerechtigkeiten im Vergleich zur Ehe zwischen Mann und Frau habe ich die letzten Jahre hingenommen – ich hatte zwar immer meine Meinung, aber ganz so wichtig war es mir nun auch wieder nicht. „Homo-Politik“, das war für mich Sache der anderen. Aber jetzt ist die rote Linie überschritten: Die sogenannten „Argumente“ mancher Konservativer sind ein Angriff auf mich ganz persönlich.

Ich dachte bisher, dass ich einer von den Guten bin. Ich hebe nach dem Grillen in den Alsterwiesen auch den fremden Müll auf,  ich bringe meinem kleinen Neffen Fairness beim Fußballspielen bei, mache eine ehrliche Steuererklärung, und mit der Verpartnerung wollten mein Mann und ich zeigen: Ja, wir sind füreinander da! Das hat alles mit Werten zu tun, die die Gesellschaft zusammenhalten. Aber Katherina Reiche von der CDU hat mir über die  BILD-Zeitung mitgeteilt, dass das nichts zählt, im Gegenteil:

Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist die demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands. […] Die Gesellschaft wird nicht von kleinen Gruppen zusammengehalten, sondern von der stabilen Mitte.

Das ist für mich keine abstrakte politische Debatte mehr. Hier hat die CDU-Politikerin gerade Homosexuelle (mich!) kaum verhüllt zur Bedrohung erklärt, und das verschlägt mir die Sprache. Wie dreist sie jedes Engagement von Minderheiten, auch mein Engagement, als überflüssig und wertlos herabsetzt, verletzt mich. Und sie ist da kein Einzelfall. Mich erschüttert ganz besonders, dass diejenigen Leute, die glauben, ganz besonders für Werte einzustehen, ausgerechnet diese Werte mit Füßen treten. Das hat sich zum Beispiel in der Diskussion über einen Entwurf aus dem Justizministerium gezeigt, durch den in etwa 40 Einzelgesetzen die Worte „und Lebenspartner“ hinzugefügt werden sollten. Kommentar des stellvertretenden Unionsfraktionschefs Krings:

Ich halte es schon gesetzesökonomisch für fragwürdig, für wenige tausend betroffene Fälle Dutzende von Gesetzen zu überarbeiten.

Meiner Meinung nach gehört es zu den Aufgaben eines Staates, bestehendes Unrecht so gut es geht abzubauen. Was für ein merkwürdige Auffassung, dass darüber der Arbeitsaufwand entscheidet. Und der Gesetzentwurf ist fertig – es reichen vielleicht 57 Sekunden aus, um so ein Gesetz zu beschließen. Einerseits das Unrecht einzugestehen, dann aber nichts zu unternehmen – das ist unmoralisch! Und aus den Reihen solcher Leute muss ich mir vorwerfen lassen, dass mein Mann und ich weniger für die Gesellschaft leisten als kinderlose Hetero-Ehepaare?

Wenn es auch noch um das Adoptionsrecht für Homosexuelle geht, entwickelt Niedersachsens Justizminister Busemann eine erstaunliche Logik: Er lehnt ein solches Recht ab, mit dem Argument, dass die Kinder ja in der Schule „Stigmatisierungen erfahren und Opfer von Mobbing werden“. Da geht doch jedes Maß für Recht und Unrecht verloren. Stigmatisierung und Mobbing sind schlecht und müssen bekämpft werden, warum sagt Busemann das nicht? Hier benutzt er offenbar lieber die vorhandene gesellschaftliche Diskriminierung, um Minderheiten Rechte zu verweigern. Wie schäbig. Über das Scheinargument Kindeswohl hat sich auch gerade Steven Milverton sehr schön ausgelassen in seinem Artikel über den „Anstieg der Familiendramen im Heterosexuellenmilieu“.

Es tut so weh, diese kruden Argumente zu lesen. Dabei geht es mir gar nicht darum, endlich diese blöden Steuervorteile zu kriegen oder wirklich ein Kind adoptieren zu dürfen. Es ist ja auch gut, dass diese Debatte endlich mal so großen Raum gewinnt. Aber wer aus ideologischen Gründen gegen die Gleichstellung ist, soll das doch bitte einfach mal geradeaus sagen. Das könnte ich sogar noch akzeptieren, so wie ich gerade Bundeskanzlerin Merkel irgendwie nicht böse sein kann, weil die Ehe von Mann und Frau für sie noch ein bisschen gleicher ist. Was nervt, sind diese an den Haaren herbeigezogenen angeblichen Sachgründe, mit denen letzendlich Lebensleistung und gesellschaftliches Engagement von Schwulen und Lesben klein geredet werden.