Promi-Klatsch: Ole von Beust und seine Jugendliebe

Was für kleine Perlen sich doch in den Indie-Produktionen verbergen! Über eine Facebook-Gruppe bin ich auf einen empfehlenswerten Kurzfilm über Homophobie gestoßen – die Dokumentation zeigt Schicksale und geht Ursachen auf den Grund. Dieser Film hat bisher keine große Aufmerksamkeit bekommen, dabei spricht Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Ole von Beust erstaunlich offen über seine erste Liebe. Jetzt kann ich in meinem Blog endlich auch die Sehnsucht nach Klatsch & Promi-Tratsch erfüllen!

„Meine erste Liebe, da war ich extrem jung, da war ich zwölf. Das war sehr pubertär, mit einem Mitschüler. Aber anvertraut habe ich mich damals niemandem, weder meinen Eltern, noch jemand anderem. Das musste ich mir erstmal selber klar machen. Das Thema war zwar kein Thema, mit dem man gemobbt würde, aber es war tabuisiert – man sprach da nicht drüber. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das in der Schule mal thematisiert worden wäre, im Rahmen vom Deutsch, Gemeinschaftskunde und Biologie oder was auch immer – dass überhaupt mal öffentlicher drüber gesprochen würde, wo ich doch die Sache erstmal selber mit mir ausmachen musste. Eine Offenheit zum Gespräch hat es nicht gegeben. Beratungsangebote wie in Hamburg das MHC sind alle viel später entstanden. Das hat es damals noch nicht gegeben. Es wäre sicherlich manches einfacher gewesen.“

Wir erinnern uns: Ole von Beust, der Bürgermeister, der jahrelang – sagen wir mal so – sehr defensiv mit seiner Orientierung umgegangen ist. Bundesweite Schlagzeilen wurden daraus, als sein Innensenator Schill ihm ein Liebesverhältnis mit dem Justizsenator Kusch andichten wollte und dafür prompt vor die Tür gesetzt wurde. Dass von Beust tatsächlich schwul ist, erklärte kurze Zeit später sein Vater in einem Zeitungsinterview. Meine Güte, während ich diese Zeilen schreibe, kommt es mir vor, wie aus einer anderen Zeit! Dabei ist das gerade mal zehn Jahre her. In der Doku spricht von Beust auch darüber, welche Entwicklung die Gesellschaft seiner Meinung nach bisher genommen hat:

Akzeptanz hieße, dass es selbstverständlich genommen wird und gar kein Thema mehr ist. […] Ich weiß, dass es schon thematisiert wird, wenn es um Spitzenämter in Politik und Wirtschaft geht. Da fragt man sich hinter vorgehaltener Hand: Kann man das eigentlich machen, kann man das nicht machen? Das führt zu ganz eigenen Bewertungskriterien. Totale Akzeptanz hieße, es interessiert wirklich keinen. Davon sind wir noch weit entfernt, aber spürbare Diskriminierung ist deutlich besser geworden

Hier der Film als Ganzes ist hier zu sehen, die Passsage mit Ole von Beust folgt bei 9’20“:

Ausblick: Merkel wird Verurteilung durch BVG begrüßen

Die Euphorie über einen Kurswechsel der Union in der Frage der Gleichstellung von Homosexuellen ist verfrüht. Zwischen den Zeilen wird klar, dass die Union ihre Hinhalte-Taktik fortsetzt. 

saegen_kleinIch war auch in freudiger Erwartung, wenn man das so nennen darf, als ich letzten Samstag den Link mit dem Titel „Union gibt Widerstand gegen Homo-Ehe auf“ geklickt habe. Aber schon noch wenigen Minuten habe ich das Fenster enttäuscht geschlossen. Umso mehr überrascht es mich, dass diese Exklusiv-Meldung der Süddeutschen Zeitung in den vergangenen Tagen von so vielen Medien aufgegriffen und im wahrsten Sinne des Wortes weitergesponnen wurde.

Die Süddeutsche hat sich ihren Scoop selbst gebaut und ein streng genommen belangloses Interview unter eine plakative Überschrift gestellt. Fürs Wochenende wollte die Zeitung offenbar unbedingt Reaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der sogenannten Sukzessiv-Adoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Das kam dabei heraus:

Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte der Süddeutschen Zeitung, die Union müsse „in Sachen Gleichstellung beweglicher werden“. Angesichts „der klaren Tendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sollten wir jetzt möglichst rasch handeln und die erforderliche verfassungsrechtliche Gleichstellung auch durchführen“, sagte Grosse-Brömer. „Wie wir das genau machen, prüfen wir jetzt innerhalb der Fraktion und dann in der Koalition.“

Tja, wo ist jetzt der Kurswechsel? Wer unbedingt will, der kann diesen Kurswechsel dort reininterpretieren und hat dann seine Rechtfertigung für eine knallige Schlagzeile. Aber wir sind doch  keine Noobs im Politiker-Sprech. Wenn jemand ankündigt, zu prüfen und beweglicher zu werden, da hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Ich habe auch nicht dieses kleine einschränkende Adjektiv überlesen: Wer entscheidet denn, welche verfassungsrechtliche Gleichstellung erforderlich ist? Meine Interpretation ist deshalb genau das Gegenteil dessen, was die Süddeutsche daraus gemacht hat: Die Union steht weiterhin für Gleichstellung in exakt dem  Maße, wie die Regierung vom Bundesverfassungsgericht dazu verdonnert wird.

Egal, die Deutung der Süddeutschen Zeitung ist nun in der Welt, jetzt wollen auch die anderen Medien ihre Schlagzeile und laufen wie die Lemminge hinterher. Alle möglichen verknappten Äußerungen von Unions-Politikern werden ohne kritisches Hinterfragen unter der Überschrift „Kurswechsel“ oder „neue Offenheit“ einsortiert. Finanzminister Schäuble will noch ein wenig Konsequenzen aus dem Urteil prüfen. Die stellvertretende Bundes-Vorsitzende Julia Klöckner hat beim mittlerweile fünften Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Gleichstellung immerhin eine Tendenz erkannt und kommt zur Feststellung, dass sich ja etwas ändern müsse. Aber der Meinung war sie auch schon früher. Wo ist der Kurswechsel? In der Union gilt auch weiterhin das Motto: Gebremst wird immer.

Das Good-Cop-Bad-Cop-Spiel in der Union

Als Krimi-Zuschauer kennt man ja diese Verhör-Technik nach dem Muster „Good-Cop-Bad-Cop“: Der eine Ermittler macht auf Einschüchterung, der andere zeigt sich verständnisvoll und einfühlsam. So oder so wird man den Verdächtigen schon zur Aussage bringen. So ähnlich verhält es sich mit der Union: Die Hardliner können noch schön mauern, und die vermeintlich Progressiven platzieren hier und da mal ein paar unverbindliche homo-freundliche Statements. Auf die ein oder andere Art wird man den Wähler schon zur gewünschten Entscheidung bringen. Dabei ist die vermutlich ehrlichste und realistischste Äußerung innerhalb der Union leider am Rande des Bundesparteitags im Dezember etwas untergegangen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte damals dem Fernsehsender PHOENIX in Bezug auf eine Gleichstellung im Steuerrecht: „Wenn wir vor dem Bundesverfassungsgericht verlieren, was ich vermute, dann werden wir das ordnungsgemäß umsetzen. Aber erst dann.“

Noch in diesem Jahr wollen die Karlsruher Richter über die steuerliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaften entscheiden. Wir wissen alle, wie es ausgeht. Und was Bundeskanzlerin Merkel sagen wird, weiß ich auch schon:

Dieses ist ein sehr wichtiges Urteil, das ich sehr begrüße. Es gibt der Bundesregierung Rechtssicherheit, wie wir die Gleichstellung in verfassungsrechtlich gebotener Weise vorantreiben können. Die Bundesregierung nimmt diese Vorgaben dankbar an und wird dieses Urteil zügig zum Wohle der Betroffenen umsetzen.

(Zitat erfunden)