Hitzlsperger und die Gay Power beim VfB

Hitzlsperger wird ein zweites Mal zum wichtigen Rollenmodell. Er ist der Beweis: Ein Coming Out ist kein Hindernis für eine Spitzenposition im Fußballgeschäft.

In großer Sachlichkeit berichteten die Medien gestern, dass der VfB Stuttgart Thomas Hitzlsperger zum neuen Sportvorstand gemacht hat. Seine sexuelle Orientierung wird nicht erwähnt, warum auch? Für die Entscheidung spielte sie keine Rolle. Aber man muss sich nichts vormachen. Der Fußball insgesamt ist noch nicht so weit, wie manche denken. Kleine Kostprobe gefällig? Hier ein paar Kommentare von der Facebook-Seite des ehrwürdigen Kicker-Magazins:

Achtung sobald der hitzelperger in die Kabine kommt arsch Richtung Wand haha
na wer wohl als erstes die Seife fallen lässt in der Kabine? 😂
Hoffen wir mal die Spieler müssen sich nicht Hochschlafen 😅

Zur Ehrenrettung des Kickers muss man sagen, dass die Redaktion vieles auch moderiert und gelöscht hat und die betreffenden User teils vorher schon Widerspruch von anderen Kommentierenden geerntet haben. Es zeigt aber, Homophobie bleibt eben doch ein Thema.

Was gab es für Erwartungen, als Thomas Hitzlsperger im Januar 2014 sein Coming Out in der ZEIT hatte. Weiterlesen

Hat Kevin Kühnert wirklich „Penis“ gesagt?

Kevin Kühnert spricht im Interview des queeren Berliner Stadtmagazins SIEGESSÄULE über sein Schwulsein – und im Netz wird wieder diskutiert, ob man das „an die große Glocke“ hängen muss. Diese Diskussion gibt es bei jedem Coming Out in den Medien. Aber nie war sie so unsinnig und verlogen wie diesmal.

Drei kurze Beispiele aus der Kommentarspalte der FAZ auf Facebook: „Ich möchte nicht damit behelligt werden, wer mit wem ins Bett geht.“ – „Herr Kühnert scheint recht gut zu wissen, womit man mediale Aufmerksamkeit erhalten kann.“ – „Ich will nichts über die sexuellen Vorlieben eines Jungsozen wissen.“ Eine Frau hat auch noch geschrieben, sie habe ja nichts gegen das Coming Out an sich, aber man müsse das doch nicht so an die große Glocke hängen. Was hat der Kühnert denn da bloß gesagt?  Weiterlesen

Worüber Heterosexuelle kaum nachdenken müssen

Das Coming Out am Arbeitsplatz war für mich keine Selbstverständlichkeit. Dabei lebe ich in einer weltoffenen Großstadt und habe gebildete Kollegen. Was ist denn eigentlich das Problem? Ein bisschen Seelenstriptease zum Diversity Tag am 30. Mai.

Es war im Herbst 2015, eine gesellige Runde am Rande der Verabschiedung eines Kollegen. Es ging ums Heiraten und Kinderkriegen. Und dann stellte mir die Chefin vom Dienst aus der Frühschicht diese eine Frage: „Alex, was ist eigentlich mit dir? Du trägst doch auch einen Ring. Bist Du verheiratet?“ Über meine Antwort wollte ich einen Moment nachdenken. Ich war gerade erst bei ARD-aktuell angekommen. Nur ein paar Monate Elternzeitvertretung, aber egal: die Eintrittskarte für die heiligen Hallen der Tagesschau. Mehr Zuschauer und mehr Glaubwürdigkeit geht nicht im Nachrichtenjournalismus. Da wollte ich bleiben. Das alles ging mir in Sekundenschnelle durch den Kopf. Und alles nur wegen dieser einfachen Frage: „Bist du verheiratet?“ Weiterlesen

Unschwules WLAN macht mich traurig [UPDATE: Internet jetzt schwulisiert]

UPDATE: Der eigentliche Aufhänger dieses Artikels hat sich erledigt.

Wie ich mich selbst ertappt habe, aus einer Kleinigkeit ein Drama zu machen. Aber es nervt: In banalen Alltagssituationen kriegen Lesben und Schwule immer wieder ihre Andersartigkeit vorgehalten – weil sie nicht vorgesehen sind, nicht mitgedacht oder gar bewusst ausgesperrt werden. So etwas erlebt auch, wer seine Sexualität nicht vor sich herträgt.

Hamburger MeileIch war im Einkaufszentrum „Hamburger Meile“. Der WLAN-Hotspot hat mich nicht queer.de lesen lassen, sondern so eine Sperrseite angezeigt. Damit könnte die Geschichte zu Ende sein. queer.de, das ist ein Nachrichtenportal mit Infos aus dem schwul-lesbischen Bereich. Ich hätte mich ja einfach aus dem Hotspot ausloggen und die Seite mobil aufrufen können. Oder ich lese es eben zuhause.

Aber das hat mich richtig traurig gemacht, und das möchte ich all denjenigen erklären, die meinen, dass diese Homos bei jeder Kleinigkeit „Diskriminierung“ plärren. Weiterlesen

Regenbogenflaggen? Ruft die Polizei!

Die eigentliche Nachricht der Posse um die Regenbogenflaggen in Berlin: Sie verrät, wieviel Aufwand und Energie die Union in Homophobie steckt und dass die SPD jeden Widerstand aufgegeben hat.

Erstmals hissen Berliner Bundesministerien zur CSD-Saison die Regenbogenflagge – und müssen sie auf Druck des Kanzleramts wieder einholen. Zugegeben: Mich persönlich hat es nie großartig gekümmert, ob irgendwo eine Regenbogenflagge gehisst wird. Ich habe das regelmäßig als schönes Zeichen der Solidarität wahrgenommen, aber andere Aktionen sind mir wichtiger. Trotzdem kann ich diesen „Vorfall“ in Berlin nicht einfach zur Kenntnis nehmen, ganz im Gegenteil: Gerade die Vehemenz, mit der das Kanzleramt gegen diese klitzekleine Symbol angeht, macht für mich einen großen Aufreger daraus. Weiterlesen

Ich habe ja nichts gegen Bela Anda, aber…

Bela Anda fand den Auftritt von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest so verstörend, dass die Logik zwei Tage lang aussetzt. Man muss Wurst nicht gut finden, um für BILD Unsinn zu schreiben.

Was kann man tun, wenn man keine Möglichkeit hat, sich gegen etwas zu artikulieren? Wenn man einfach keinen Kanal hat, um seine Meinung kund zu tun? Richtig: Man stellt seinen Text auf eine der reichweitenstärksten Nachrichtenseiten Deutschlands.

So hat das jedenfalls Bela Anda gemacht. Auf BILD Online stellt er die Frage: „Muss ich Conchita Wurst gut finden?“ Bereits im zweiten Satz beantwortet er sich die Frage damit, dass er dass nicht muss. Hier hätte der Artikel eigentlich zu Ende sein können. Aber stattdessen beklagt sich der ehemalige Regierungssprecher, dass ihn eine Frau mit Bart stört und er den ganzen Auftritt befremdlich fand, das aber nirgendwo schreiben darf.  Er darf das nirgendwo schreiben, und  das ist nachzulesen auf BILD Online! Der Auftritt muss ihn tatsächlich verstört haben, wenn das logische Denken auch zwei Tage später nicht richtig funktioniert.

Bela Anda ist an keiner Stelle offen homophob, aber sein Artikel trägt trotzdem zur Stimmungsmache bei. In den Kommentaren auf der Seite melden sich zahlreiche Leser zu Wort, die sich danach sehnen, Conchita Wurst ebenfalls nicht gut finden zu dürfen. Und bei der Gelegenheit beklagen sich die Leute, dass sie sich nicht vorschreiben lassen wollen, was sie gut oder normal finden sollen. Gegen Meinungsterroristen. Und für das Ergebnis des Eurovision Song Contests ist sowieso die Homolobby verantwortlich – weil die so viel angerufen hat und die Jurys unterwandert sind.

Es macht mich so traurig, weil mir Veröffentlichungen wie diese das Gefühl geben, dass es auf Argumente sowieso nicht ankommt. Anda übernimmt typische Muster, mit denen Verunglimpfungen häufig eingeleitet werden (Opferrolle einnehmen und ankündigen, die „Netzgemeinde“ würde einen bestimmt hassen oder als homophob brandmarken, sowie schwule Freunde erwähnen, um zu „beweisen“, wie tolerant man eigentlich ist) . Im Fall von Anda lässt sich im Anschluss wunderbar das Ressentiment bedienen, dass sich Homosexuelle in den Vordergrund spielen und bejubelt werden wollen.

Trotzdem sträubt sich alles in mir, wenn ich Conchita Wurst und die Lobhudelei auf sie und unser angeblich tolerantes Europa lese. … Was mich stört ist, dass ich den Auftritt einer Dragqueen mit Bart jetzt schon gut finden MUSS. Es reicht nicht mehr zu sagen: Ok, macht was ihr wollt. Nein, wir müssen alle jubeln und die Höchstpunktzahl vergeben.

Was hat denn dieser Mann? Dann findet Anda Transvestiten halt doof und besonders die mit Bart, da hindert ihn doch keiner dran. Er darf sogar für BILD darüber schreiben! Das ist ein Wettbewerb, und der hat einen Sieger. Satte 24 Länder haben Österreich nicht die Höchstpunktzahl gegeben, und von Protestkundgebungen vor den Botschaften ist bis heute nichts bekannt.

Rückblick: Tagelang hat die BILD-Zeitung gemeinsam mit anderen Medien die Hochzeit von Prinz William und Kate abgefeiert. Ich fand eine solche Inszenierung auch befremdlich, für meine Verpartnerung hatte ich einen privateren Rahmen vorgezogen. Tapfer habe ich die Dominanz des Themas in der Berichterstattung ertragen und aus meiner Langeweile keinen Hehl gemacht. Das war nicht schlimm! Es ging vorbei! Aber nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, mich zu beklagen, mich könnte jemand als Pferdekutschen-Hasser und Briten-Feind verunglimpfen.

Ich habe ja nichts gegen Bela Anda, aber da hat er nun mal Unsinn geschrieben. Das wird man doch noch mal sagen dürfen.