Diskussion über Homo-Ehe: Jetzt wird es persönlich

Seit knapp drei Jahren bin ich mit meinem Mann verpartnert. Die kleinen und großen Ungerechtigkeiten im Vergleich zur Ehe zwischen Mann und Frau habe ich die letzten Jahre hingenommen – ich hatte zwar immer meine Meinung, aber ganz so wichtig war es mir nun auch wieder nicht. „Homo-Politik“, das war für mich Sache der anderen. Aber jetzt ist die rote Linie überschritten: Die sogenannten „Argumente“ mancher Konservativer sind ein Angriff auf mich ganz persönlich.

Ich dachte bisher, dass ich einer von den Guten bin. Ich hebe nach dem Grillen in den Alsterwiesen auch den fremden Müll auf,  ich bringe meinem kleinen Neffen Fairness beim Fußballspielen bei, mache eine ehrliche Steuererklärung, und mit der Verpartnerung wollten mein Mann und ich zeigen: Ja, wir sind füreinander da! Das hat alles mit Werten zu tun, die die Gesellschaft zusammenhalten. Aber Katherina Reiche von der CDU hat mir über die  BILD-Zeitung mitgeteilt, dass das nichts zählt, im Gegenteil:

Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist die demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands. […] Die Gesellschaft wird nicht von kleinen Gruppen zusammengehalten, sondern von der stabilen Mitte.

Das ist für mich keine abstrakte politische Debatte mehr. Hier hat die CDU-Politikerin gerade Homosexuelle (mich!) kaum verhüllt zur Bedrohung erklärt, und das verschlägt mir die Sprache. Wie dreist sie jedes Engagement von Minderheiten, auch mein Engagement, als überflüssig und wertlos herabsetzt, verletzt mich. Und sie ist da kein Einzelfall. Mich erschüttert ganz besonders, dass diejenigen Leute, die glauben, ganz besonders für Werte einzustehen, ausgerechnet diese Werte mit Füßen treten. Das hat sich zum Beispiel in der Diskussion über einen Entwurf aus dem Justizministerium gezeigt, durch den in etwa 40 Einzelgesetzen die Worte „und Lebenspartner“ hinzugefügt werden sollten. Kommentar des stellvertretenden Unionsfraktionschefs Krings:

Ich halte es schon gesetzesökonomisch für fragwürdig, für wenige tausend betroffene Fälle Dutzende von Gesetzen zu überarbeiten.

Meiner Meinung nach gehört es zu den Aufgaben eines Staates, bestehendes Unrecht so gut es geht abzubauen. Was für ein merkwürdige Auffassung, dass darüber der Arbeitsaufwand entscheidet. Und der Gesetzentwurf ist fertig – es reichen vielleicht 57 Sekunden aus, um so ein Gesetz zu beschließen. Einerseits das Unrecht einzugestehen, dann aber nichts zu unternehmen – das ist unmoralisch! Und aus den Reihen solcher Leute muss ich mir vorwerfen lassen, dass mein Mann und ich weniger für die Gesellschaft leisten als kinderlose Hetero-Ehepaare?

Wenn es auch noch um das Adoptionsrecht für Homosexuelle geht, entwickelt Niedersachsens Justizminister Busemann eine erstaunliche Logik: Er lehnt ein solches Recht ab, mit dem Argument, dass die Kinder ja in der Schule „Stigmatisierungen erfahren und Opfer von Mobbing werden“. Da geht doch jedes Maß für Recht und Unrecht verloren. Stigmatisierung und Mobbing sind schlecht und müssen bekämpft werden, warum sagt Busemann das nicht? Hier benutzt er offenbar lieber die vorhandene gesellschaftliche Diskriminierung, um Minderheiten Rechte zu verweigern. Wie schäbig. Über das Scheinargument Kindeswohl hat sich auch gerade Steven Milverton sehr schön ausgelassen in seinem Artikel über den „Anstieg der Familiendramen im Heterosexuellenmilieu“.

Es tut so weh, diese kruden Argumente zu lesen. Dabei geht es mir gar nicht darum, endlich diese blöden Steuervorteile zu kriegen oder wirklich ein Kind adoptieren zu dürfen. Es ist ja auch gut, dass diese Debatte endlich mal so großen Raum gewinnt. Aber wer aus ideologischen Gründen gegen die Gleichstellung ist, soll das doch bitte einfach mal geradeaus sagen. Das könnte ich sogar noch akzeptieren, so wie ich gerade Bundeskanzlerin Merkel irgendwie nicht böse sein kann, weil die Ehe von Mann und Frau für sie noch ein bisschen gleicher ist. Was nervt, sind diese an den Haaren herbeigezogenen angeblichen Sachgründe, mit denen letzendlich Lebensleistung und gesellschaftliches Engagement von Schwulen und Lesben klein geredet werden.

10 Gedanken zu „Diskussion über Homo-Ehe: Jetzt wird es persönlich

  1. Dennis Sulzmann sagt:

    Hach, die Frau Reiche. Mit ihren beiden unehelichen Kindern ist sie in der Frage nach dem klassischen Familienbild genauso unglaubwürdig wie ein fremdgehender Herr Seehofer. Zudem: So ein Geschwurbel ist man doch gewohnt von der CSU. Also mit Humor nehmen, auch wenn es nicht lustig ist.

  2. Tim Schomann sagt:

    Frau Reiche ist allerdings Mitglied der CDU, nicht der CSU. Was in der Sache aber natürlich auch nichts entschuldigt…

  3. Tante Jay sagt:

    Hör mir bloß auf mit der Diskussion, ich krieg hier allmählich die Krätze.

    Dieser ganze demographische Familienscheiß ist doch an den Haaren herbeigezogen. Auf der Welt leben bereits zu viele Menschen, aber WIR müssen mehr Kinder bekommen, weil wir sonst aussterben?

    Das ist unverhüllte Homophobie, dass sind die Menschen, die Schwule und Lesben zur Abartigkeit erklären, zu einem Verbrechen wider die natur.

    Und das *einzige* Verbrechen wider die Natur, das ich hier erkennen kann, sind diese engstirnigen, verblendeten, nichtsnutzigen Großmäuler, die sich von Homosexuellen bedroht fühlen. Und die die „Werte“ als Schutzmauer nehmen um sich nicht mit ihrer eigenen Angst auseinandersetzen zu müssen.

    *grrr*
    Wenn Gott keine Homosexualität (oder bisexualität oder pan oder WHATEVER) wollte – warum sind wir dann hier?

    Sorry, bei dem Thema und den Argumenten platzt mir jedesmal die Hutschnur. Ich kann diese Bigotterie und diese Heuchelei nicht ab.

  4. Will sagt:

    Papperlapapp. Unrecht hat er. Schwules Gemaule nach „was ihr habt, wollen wir auch“. Ehe hat in ihrer Leitbildfunktion zur Installierung lebenslanger Partnerschaften nur noch in CDU/CSU-Partei-Köpfen und am rechten Rand eine Bedeutung, sieht man sich die Scheidungsraten und Ehegründen in Deutschland an. Die Zivilehe ist ein Konzept, dass sich gesellschaftspolitisch real überholt hat. „Egal, das wollen wir auch!“, krakelt aber die Gay-Gemeinde schmollend. Anstatt voran zu gehen und die eingetragene Lebenspartnerschaf abzulehnen und als das zu erkennen was sie ist, nämlich keine Gleichstellung, sondern eine Nachahmung der Ehe als Drops, wird der besagte Drops als Ambrosia gefeiert und sich damit arrangiert.
    Ehe ist ein kulturelles Relikt. Ursprünglich dem Mann Verfügungsgewalt über den Haushalt und damit der Ehefrau einräumend, die Besitzverhältnisse regelnd und Altersversorgung sichernd, verblendet durch religiösen Pathos.
    In einer modernen Gesellschaft ist das konservative (deutsche) Konzept der Ehe überholt. Was wir brauchen ist ein säkularisiertes Konzept wie z.B. PACE in Frankreich. Ursprünglich als Möglichkeit zur Verbindung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen gedacht und mittlerweile von 95% (*1) von HETEROSEXUELLEN Paaren geschlossen.
    Wer ein Ritual will, soll zum Pfaffen, Imam, Rabbi, Guru oder zum Banksachbearbeiter gehen. Das ist Privatsache. Der Rest, der gesellschaftlich bedeutende Teil, der Menschen die zusammen füreinander einstehen wollen, nämlich um eine „Einstehungsgemeinschaft“ zu gründen, schließen einen gültigen Vertrag wie PACE in Frankreich, der für alle Heteros, Schwulen, Lesben und Transen tatsächliche Gleichberechtigung ihrer Gemeinschaft bedeutet.
    Aber hört mir auf mit dem Gejaule, weil ein paar Ewiggestrige ihren verbalen Durchfall versprühen. Etwas wie PACE in Deutschland ist das was wir brauchen. Dafür muss eine Bürgerbewegung her. Notfalls muss das GG demokratisch geändert werden. Sich aber über jeden Homophoben, der einen Blogeintrag/Interview verfasst, aufzuregen ist verschwendete Energie.

    [*1 aus dem Aufsatz zum Vergleich von PACE/eingetragene Gemeinschaft von Julia C. Suck (GIYF)].

  5. Bakenfalter sagt:

    Einerseits amüsieren mich die entsetzten/angewiderten/ungläubigen Blicke des „gesunden“ bürgerlichen Mittelstandes an der samstäglichen Supermarktkasse, wenn ich mit meinem „Frollein Braut“ in der Schlange herumalbere und sie übermütig mitten auf ihr freches weiches Maul küsse – andererseits kränkt mich die Tatsache, dass unsere Beziehung in zunehmendem Maße weder gesellschaftlich noch politisch ernst genommen, geschweige denn anerkannt wird. Deutschland scheint stracks zurück in die Fünfziger des letzten Jahrtausends zu marschieren, wobei in wahrscheinlich nicht allzu ferner Zukunft Frau obendrein die Herdprämie kassiert, während Vatti als Familienoberhaupt tüchtig Geld ranschafft und die Familie dieses Sauerverdiente für die Nachhilfestunden der verzogenen Brut ausgibt, damit die lieben Kleinen lernen, Piesa richtig herum zu plusquamperfektionieren. Während die Kinderchen auf diese Weise gut versorgt sind, kloppt Vatti Überstunden mit seiner Sekretöse im Hotel, während Mutti dasselbe mit dem Knackarsch ihres Nacktputzers hinter den adrett zugezogenen Vorhängen des schmucken Eigenheims tut.
    Wo bleiben dagegen in einer Homo-Ehe die wahren Werte, Anstand und Moral? Mein Frollein Braut weigert sich mitnichten wegen der sozialen Ächtung, mich zu heiraten. Viel schlimmer: Sie fürchtet, dass wir uns nicht einigen können, welche von uns beiden das Brautkleid tragen darf. Und so leben wir weiterhin in verwilderter Ehe und machen Handstand im Morast.

  6. Thomas sagt:

    Ein guter Artikel. Spricht mir mehr oder weniger aus der Seele.
    Ich hoffe das Thema verschwindet jetzt nicht gleich wieder jahrelang in der Versenkung, sondern es tut sich endlich mal was.

  7. Karl Karam sagt:

    Angeblich gehts Dir ja nicht um die Steuervorteile sondern um die Anerkennung Deines „Engagements“. Welches meinst Du? Das Engagement, mit dem Du die Heteros imitierst? Das auf dem Fußballplatz (und für das sich Dein Neffe hoffentlich nicht schämt)?
    Womit hat Katharina Reiche denn Unrecht, wenn sie sagt, dass Heteros die Mehrheit sind und Schwule keine Kinder bekommen?

  8. Alexander v. Beyme sagt:

    Katherina Reiche hat nicht Unrecht, wenn sie sagt, dass Heteros die Mehrheit sind und Schwule in der Regel keine Kinder bekommen. Mich stört, dass sie Zukunft der Gesellschaft und Zusammenhalt rein nach dem „Ausstoß von Kindern“ beurteilt. Ihre Sprache ist ausgrenzend, wenn sie zum Beispiel Homosexuelle in den Zusammenhang einer Bedrohung rückt.

    Für den Zusammmenhalt der Gesellschaft sind Werte wie Liebe, Respekt, Verantwortung usw. entscheidend – und Menschen, die diese vorleben und weitergeben. Das können Schwule nun mal genauso wie Heteros mit und ohne Kindern. Homosexuellen vorzuknallen, sie würden die Gesellschaft nicht zusammenhalten, ist eine Unverschämtheit: Sie reduziert uns damit allein auf ein Merkmal, was gar nicht so entscheidend ist. Sie müsste eigentlich auch Weißwurst-Essern vorwerfen, sie halten die Gesellschaft nicht zusammen, weil vom Weißwurst-Essen keine Kinder geboren werden. Was wäre los, wenn Reiche sich an katholische Priester gerichtet hätte mit den Worten: „Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in katholischen Priestern. Neben der Euro-Krise ist die demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands. Die Gesellschaft wird nicht von kleinen Gruppen zusammengehalten, sondern von der stabilen Mitte der atheistischen Mehrheit.“

    Menschen können auf vielfältige Weise für die Gesellschaft wertvoll sein, aber Reiche spricht Homosexuellen das in ihrer Rhetorik völlig ab. Das ist der Skandal, nicht die Tatsache, dass sie gegen Gleichstellung ist.

    Was mit „Imitieren von Heteros“ gemeint ist, was das mit Fußball zu tun hat und aus welchem Grund mein Neffe sich wofür schämen muss, habe ich nicht verstanden. Das musst Du vieleicht genauer erklären.

  9. Karl Karam sagt:

    Also ich finde Du legst der Frau Worte in den Mund, die sie einfach
    nicht gesagt hat, jedenfalls nicht in den von Dir zitierten Sätzen.
    Sie rücke Homosexuelle in den Zusammenhang einer Bedrohung, sie würde rein nach Ausstoß von Kindern beurteilen und behaupte,
    Homosexuelle würden die Gesellschaft nicht zusammenhalten. Das ist sehr
    weit hergeholt und so von ihr nicht gesagt worden. Du skandalisierst und drehst ihr quasi das Wort im Munde herum. Das ist weder fair noch seriös, auch wenn ich in der Sache eher Dir als ihr zugeneigt bin. Die Sensibilität, die Du im Umgang mit Schwulen einforderst, lässt Du selbst vermissen im Zitieren und Interpretieren.

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